Alexander Hacke: „Der wahre Künstler hat keine andere Wahl als sich in der Kunst zu verwirklichen“
Alexander Hacke mit seinem Buch: „Krach“ auf Lesereise. Gefördert von der Stiftung wissensART
Mehr über den Musiker und Autor Alexander Hacke in einem Interview mit KP Flügel
Foto: Thomas Ecke
Wann und wie war das, als Du angefangen hast, Musik zu machen? Spielte die Frage, ob Du mal von der Musik würdest leben können eine Rolle?
Nein, mit fünfzehn Jahren allerdings wusste ich, daß ich Musiker sein wollte und sein würde, habe mein Schließfach im Mittelstufenzentrum in der Berliner Gropiusstadt ausgeräumt und bin nie wieder zurückgekehrt. Dass ich mich bis heute, 45 Jahre später, mit diesem Beruf ernähren konnte, ist sicher ein großes Glück, hat aber, ohne Frage, auch mit der frühen Gewissheit zu tun, genau das mit meinem Leben machen zu wollen. Die meisten Menschen sind erst viel später in ihrer Entwicklung in der Lage eine derartig endgültige Entscheidung treffen zu können, oder müssen erst in mehreren Anläufen scheitern, um daraus zu lernen.
Wie wichtig waren damals Clubs jenseits der etablierten Auftritts-Locations?
Etablierte Auftritts-Locations standen uns am Anfang nicht wirklich offen. Es hat eine Weile gedauert bis der Mainstream uns in seine heiligen Hallen hat vordringen lassen.
Jede relevante Entwicklung passiert zunächst im Untergrund, oder eben weit ab der kommerziellen Kulturszene. Wie sollte es auch anders sein?
Steven Van Zandt, auch bekannt als Little Steven, hat in einem Interview gegenüber der Süddeutschen Zeitung auf die Frage, ob er heute jungen Musikern raten würde, professionell mit Musik anzufangen, mit einem klaren Nein geantwortet und dies als grausame Wahrheit bezeichnet. Was würdest Du antworten?
Der wahre Künstler hat keine andere Wahl als sich in der Kunst zu verwirklichen. Ob dies mit monetärem Gewinn einhergehen wird, oder nicht, hat nur bedingt etwas mit der Qualität, oder gar Wahrhaftigkeit der eigentlichen Arbeit zu tun. Ein gewitzter Opportunist kann sich gerade heute den Erfolg weitaus zielsicherer erschleichen, als ein integrer Experimentator, der zunächst auf seine innere Stimme hört. Ich denke also, daß es durchaus möglich ist als Profimusiker Karriere zu machen. Ich bin in kommerzieller Hinsicht nicht so der Fachmann, aber es war eben nie meine Priorität.
Wie stellt sich die Situation für Dich heute dar? Muss man multifunktional aufgestellt sein? Du warst ja neben Deiner Tätigkeit für die Einstürzenden Neubauten auch produktiv als Filmmusik-Komponist und Musikproduzent. Dann hast Du zusammen mit Deiner Frau Danielle de Picciotto ein Projekt und jetzt gehst Du bald auf Lesereise mit Deinen „Verzerrten Erinnerungen“, so der Untertitel Deiner Biografie „Krach“.
Ich war immer froh, neben meiner eigenen Vision, auch für Auftragsarbeiten engagiert zu werden, weil ich eben nicht gerade für konventionelle Herangehensweisen stehe. Es ist ein tolles Erlebnis zu sehen was passiert wenn der visuelle und der hörbare Aspekt eines Films aufeinander treffen und aus ihrer Symbiose etwas komplett neues, eigenständiges entsteht. Gerade in Deutschland wird das Gewicht des Audio-Anteils in einer Produktion oft sträflich unterschätzt. Und ich liebe es meine Erfahrung in den Dienst von jungen, authentischen Künstlern stellen zu können und sie bei der Umsetzung ihrer Ideen zu unterstützen. Das kommt wohl mit dem Alter. Ich bin ja auch stolz dann doch so alt geworden zu sein.
Dieses Jahr werde ich die Sonne sechzig Mal umrundet haben, das ist nicht schlecht wenn man bedenkt wie unfassbar groß die ist.
“Krach” ist zunächst vor zehn Jahren, anlässlich meines Fünfzigsten erschienen, nun wird es wieder veröffentlicht und ich habe dazu einen Epilog verfasst, der die Entwicklungen der letzten Zeit thematisiert.