Das Thema „Lebensleistungs-Rente“ sollte dringend auf die Agenda
"Auf den Lockdown habe ich völlig panisch reagiert, dachte, jetzt lassen sie uns alle einfach abstürzen."
Textildesignerin Annette Reher in der Umfrage zur Befindlichkeit von Kukturschaffenden während der Corona-Pandemie.
Interview: KP Flügel/ Foto: E Bühler
Für meine Identität als Kulturschaffende ist es wichtig, dass ich selbst bestimme, was ich tue. Jeden Tag von morgens bis abends. Das ist praktisch schon ein Zirkus gewesen, ein Hamsterrad, in dem auch wir alle bis zu Corona gefangen waren. Ich bin das ganze Jahr von einer Messe zur anderen Ausstellung gezogen und dazwischen kam das Produzieren. Dann war es plötzlich zu Ende. Auf den Lockdown habe ich völlig panisch reagiert, dachte, jetzt lassen sie uns alle einfach abstürzen.
Nach ersten Anlaufschwierigkeiten, die man ja verstehen kann, war es auch nicht schwierig, die Unterstützungsgelder zu beantragen. Als wir merkten, es wird schon geschaut, dass wir gestützt werden, war diese finanzielle Panik nicht mehr so extrem.
Aber rausgehen und unsere Messen und Ausstellungen veranstalten durften wir nicht. Dann habe ich so nach zehn Wochen angefangen, das zu machen, was ich immer gerne machen wollte. Ich habe künstlerisch frei gearbeitet. Mental hat mich das total über Wasser gehalten, weil ich trotz allem jeden Tag in mein Atelier gegangen bin. Außerdem bin ich das erste Mal in meinem Leben darauf gekommen, dass auch ich mich für Stipendien bewerben kann. Ich habe zwei bekommen. Das hat mich also auch wieder mehr mental als finanziell gestützt. Ich fand das einfach großartig.
Langsam fange ich an zu glauben dass es in manchen Behörden-Köpfen ankommt, wie prekär die in der Kultur arbeitenden Menschen in Deutschland leben. Es ist so wichtig, damit an die Öffentlichkeit, an die Medien und an die Politik zu gehen: die allermeisten von uns kommen nur auf eine Armutsrente, obwohl sie ihre ganze Arbeitskraft in diese unsere Kulturlandschaft gesteckt haben, die ja die Gesellschaft insgesamt immer und überall gerne genießt. Daher sollte dringend das Thema „Lebensleistungs-Rente“ auf die Agenda.