Für Paulina Czienskowski sind Lesungen besonders lohnend für ihre einsamen Stunden beim Schreiben

Lesung aus „Taubenleben“ im Rahmen der Reihe „Ninia stellt vor….“ im Pavillon Hannover am Donnerstag, 2. März 2023, 19.00 Uhr

Paulina, 2018 ist Dein Erzählband „Manifest gegen die emotionale Verkümmerung“ erschienen, 2020 kam Dein Debütroman „Taubenleben“  heraus, 2021 folgte das Buch „Sich erinnern, man selbst zu sein“ – eine, wie es auf Deiner Homepage heißt, „Selbstbefragung auf der Suche nach dem Kern eigener mentaler Verletzungen. Zudem hast Du 2021 Dein erstes Hörspiel „Aber sie dachten nichts zu Ende“ über „die Brutalität des Schweigens innerhalb einer Kleinfamilie“ geschrieben. Was treibt Dich an bzw. hat Dich zur Auseinandersetzung, Beschäftigung bzw. Darstellung genau dieser Themen bewegt?

Wenn ich literarisch schreibe, beschäftige ich mich mit Themen, die mich in irgendeiner Weise berühren. In meinen Texten mache ich sie mir zu eigen, und ordne darin meine Welt, sortiere Gedanken, verdichte. Die Psychoanalyse sagt: Bindungen sind der Stoff, aus dem wir sind. Wenn ich schreibe, dann stelle ich genau diese her. Im Schreiben verbinde ich mich also gewissermaßen mit der Welt. Weil ich für sie schreibe, meine Worte in sie hineinlege, abwarte, was man aus ihnen macht und was sie aus anderen machen.

Du schreibst auch journalistisch bzw. machst Hörspiele und hast mit Deinem Freund Valentin Hansen das Drehbuch für den Kurzfilm „Ein kleiner Tod“ verfasst. Macht es für Dich einen Unterschied, ob Du jetzt ein Buch, Drehbuch oder einen Artikel schreibst? Das literarische Schreiben, „um Dir eine eigene Welt zu erschaffen, wie es die Protagonistin in „Taubenleben“ macht, um sich ein eigenes Schutzschild zu schaffen? Als Ausgleich zur journalistischen Reflexion einer aus den Fugen geratenen Welt?

Verschiedene Genres in verschiedenen Medien: Da muss man natürlich differenzieren, auch weil sie jeweils verschiedene Formen und Strukturen benötigen. Genauso verändert sich meine Haltung gewissermaßen je nach Text, der entstehen soll. Manchmal braucht es Distanz und Objektivität, manchmal kann ich mich ungehindert mit allem, was mich ausmacht, hineinfallen lassen. Da gibt es dann mehr oder weniger keine Grenzen. Manchmal reichen kurzatmigere Phasen aus, machmal entstehen Texte über Jahre. Erst im Kopf – das Schreiben nimmt dagegen einen eher kleinen Teil ein. Und doch haben für mich alle Formen etwas gemein: Ich versetze mich in Personen, Sachverhalte, Momente. Versuche, emphatisch, offen und aufmerksam zu sein, um eine gemeinsame Ebene zwischen Protagonist*in (ob Interviewpartner*in oder Personal in Prosa) und mir als das Medium, das verkürzt etwas zu Papier bringen will, herzustellen. Ich beobachte, höre zu, sammle. Mache Ausschnitte von Leben für eine Leserschaft transparent und dadurch zugänglich.

Und schlussendlich, wie wichtig sind Dir Lesungen, also die  Begegnungen mit Deinem Lesepublikum?

Schreiben ist eine einsame Tätigkeit. Denn, so wie ich sage, verbinde ich mich zwar mit der Welt durch meine Texte. Aber eben nur theoretisch. Ist ein Text oder Hörspiel in der Welt, beginnt ihr Eigenleben, das man nicht mehr steuern kann. Wie etwas, wann, wieso, wo und in welchem Gemütszustand gelesen wird, liegt nicht mehr in meiner Hand. Wie also meine Worte aufgefasst werden, kann ich nicht steuern. Das ist einerseits beängstigend. Andererseits wird an der Stelle ein spannender Prozess losgetreten. Vor allem dann, wenn Geschriebenes was in anderen Menschen bewegt. In welcher Form auch immer. Doch selbst da ist die Verbindung zur Welt irgendwie noch theoretisch. Für mich gibt es entsprechend kaum etwas Schöneres, mit Menschen in Kontakt zu treten, im persönlichen Austausch zu erfahren, was beim Lesen in ihnen passiert ist. Oder auch nicht. Was sie wo herausgelesen, mitgenommen, entdeckt haben. Die Rückmeldung kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden, auch in Nachrichten. Doch im Rahmen einer Lesung sind solche Momente besonders lohnend für all die einsamen Stunden, in denen meine Finger ungesehen über die Tastatur getänzelt sind.

Die Fragen stellte KP Flügel

Foto: Valentin Hansen

Interview: KP Flügel/ Foto: Valentin Hansen